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Brennerei

Brennerei

Kolonialismus und Alkohol

Wir zeigen bei uns eine Brennerei, in der aus Obst Alkohol gewonnen wurde.

Alkohol war lange Zeit das Exportgut Nummer 1 aus dem Deutschen Reich in die Kolonien. So gelangte Kartoffelbranntwein ostelbischer Gutsbetriebe in großen Mengen nach Afrika. Zeitweise waren allein in Hamburg über 20 Brennereien für die Ausfuhr aktiv, sie stellten möglichst billigen Alkohol her. Handelshäuser nutzten ihn zunächst als Tauschmittel für landwirtschaftliche Produkte ein. Diese lieferten ihnen die Bewohner:innen der kolonialisierten Regionen für den Export nach Deutschland.

Später wurde Alkohol aber auch eingesetzt, um Menschen in Afrika und Asien gezielt abhängig zu machen. Erst sollte das Bedürfnis geweckt werden, Alkohol zu konsumieren. Dann mussten sie erkennen, dass sich nur mit Lohnarbeit Barmittel erwirtschaften ließen, mit denen es zu befriedigen war. So sollten die Menschen gezwungen werden, Arbeit auf Plantagen und im Eisenbahnbau aufzunehmen. Von dieser Arbeit wiederum profierten die Unternehmen, die mit dem Anbau und den Transport von Rohstoffen Geld verdienten.

Anzeige aus der Deutschen Kolonialzeitung von 1898: Auch westfälische Brennereien produzierten Alkohol für den Absatz in Kolonialgebieten, so die Firma Elmendorf aus Isselhorst bei Gütersloh. Sie warb damit, dass die „dauernden Nachbestellungen aus den Kolonien“ für die gute Qualität ihres Kornbranntweins sprach.

Hintergrundwissen

1889 verwies der Politiker August Bebel (1840 – 1819) in einer Reichstagsrede auf die problematische gesellschaftliche Funktion von Alkohol aus sozialdemokratischer Sicht: Während Alkohol in Deutschland eingesetzt würde, um Arbeiter vom Kampf gegen soziales Elend abzubringen, diene er in Afrika dazu, „die Schwarzen in Abhängigkeit von den Weißen zu bringen“. Dagegen verteidigte der Besitzer eines der wichtigsten in den Kolonien tätigen Handelsunternehmen, Adolph Woermann (1847 – 1911), den Export der hochprozentigen Ware: Er mache den deutschen Handel überhaupt erst lebensfähig, sei ohnehin nicht zu verhindern und – so sein zynischstes Argument – ein „außerordentlich günstiges Reizmittel“ zur Arbeitswilligkeit der Bewohnerinnen und Bewohner in den Kolonien. Nicht zuletzt bildeten Zölle und Abgaben eine wichtige Einnahmequelle in der Kolonialwirtschaft.

Achatschleife

Sozialer Kitt

Die deutsche Bewohnerschaft der Kolonien bildete eine von westfälischen Firmen gesuchte Kundschaft. So warben die Brennereien Ernst Wiskott, (Dortmund), Hermann Osthoff (Herford) und H. W. Schlichte (Steinhagen) Ende des 19. Jahrhunderts im Kolonial-Handelsadressbuch für ihre Branntweine und Liköre. Die Firma E. F. Elmendorf aus Isselhorst schickte ihre Produkte in diesen Kisten nach Namibia („Lüderitzbucht“), Kamerun, Pohnpei in Mikronesien („Ponape“) und Samoa. Die Einführung maschineller Anlagen in der Produktion und die Abfüllung in Flaschen, die gut in Kisten zu transportieren waren, machte dieses Geschäftsfeld am Ende des 19. Jahrhunderts möglich.

Der Export von Alkohol trug zum Bestand des Kolonialsystems bei. Alkoholkonsum bedeutete für viele Mitglieder der Kolonialverwaltung und Angehörige von Handelsfirmen Ablenkung und Freizeitvergnügen. Er bildete in einer von Männern dominierten deutschen Kolonialgesellschaft einen wichtigen sozialen Kitt.

Transportkisten der Firma Elmendorf vermutlich Eigenproduktion der Firma Elmendorf, Isselhorst bei Gütersloh; vor 1918

Und heute?

Adolph Woermann argumentierte damit, dass der Alkoholexport in die Kolonien Arbeitsplätze in Deutschland sichern würde. Dieses Argument spielt auch heute für den langjährigen, – inzwischen von China abgelösten – Exportweltmeister Deutschland in Debatten mitunter eine Rolle. Vor allem wenn es um Lieferungen in Länder geht, deren politische Systeme keine Achtung der Menschenrechte garantieren.

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